Dank des beachtlichen Serienerfolgs der amerikanischen Fassung von "House of Cards" mit Kevin Spacey und Robin Wright in den Hauptrollen hat der Berlin Verlag dankenswerterweise die Gunst der Stunde genutzt und die Romane, die bis dato nicht in einer Übersetzung vorlagen, ins Deutsche übersetzt. Somit ist es nun auch dem deutschsprachigen Publikum möglich, die 25 Jahre zurückliegende Intrigenspinnerei entspannt (und ohne Wörterbuch) zu verfolgen.In "House of Cards" begleitet der Leser den Fraktionsführer Francis Urquhart auf seinem Weg an die Spitze seiner Partei. Bei der Neuwahl des Premierministers ist er übergangen worden, obwohl ihm ein Posten versprochen wurde. Nun sinnt er auf Rache und beginnt, den Premierminister mit Kalkül und raffiniert gesponnenen Intrigen stürzen zu lassen. Und natürlich sich selbst in diese Position zu hieven.Wer die amerikanische Adaption des Stoffs kennt, kann beherzt zugreifen: nicht nur das Setting und die Handlung ist gänzlich anders sondern auch die Figuren differieren im Vergleich zum Remake. Ich hatte während der (sehr kurzen) Lesephase zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass man weiß, worauf es nun hinausläuft. Kenner des britischen BBC-Originals aus 1990 sind anders davor: Die vierteilige erste Staffel hält sich beinahe exakt an die Vorlage des Autoren. Aber auch dies hat meinem Lesevergnügen keinen Abbruch getan.Michael Dobbs versteht es, mit einer gestochen-scharfen, exakten Sprache, das Geschehen zu beschreiben. Die Figuren agieren und reagieren vollkommen logisch, man fiebert mit den einzelnen Charakteren mit und freut sich (irgendwie), wenn die nächste Intrige von Francis funktioniert hat. Insbesondere der Sprachstil (und damit auch die wunderbare Übersetzung von Johannes Sabinski und Alexander Weber) haben bei mir Gefallen gefunden. Vor allem Francis' Duktus ist in ihrer Mischung aus Eloquenz und Borniertheit einfach herrlich getroffen."House of Cards" entwickelt während der knapp 480 Seiten einen ungeheuren, hypnotischen Sog. Die Ausmaße des Manipulierens und Intrigierens werden erst nach und nach deutlich. Und genau dieser Clou macht auch einen großen Teil der Lesefreude aus. Michael Dobbs deutet an, skizziert, aber erklärt nicht sofort. Der Leser wird zum Mitdenken und -grübeln angehalten. Den Roman als "Thriller" im eigentlichen Sinne zu bezeichnen, halte ich für falsch. Hier ist zwar ein Fraktionsführer, der für Macht und Erfolg (buchstäblich) über Leichen geht, aber die wirkliche Spannung generiert der Roman aus den einzelnen Schachzügen und deren Wirkung.Es freut mich persönlich sehr, dass der zweite Teil ("Schach dem König") bereits für November 2016 angekündigt wurde und meine Weihnachtszeit versüßen wird. Wer Fan politischer Thriller ist, die ihren Leser für voll nehmen, zum Mitdenken anregen und die Lesezeit wie im Flug vergehen lassen, wird mit "House of Cards" viel Freude haben. Wobei: "Sie mögen das so sehen, aber ich kann es unmöglich kommentieren!"